Wir bleiben länger !
Danach eröffneten sich auf einmal wieder ganz neue Möglichkeiten! Doch als Erstes suchten wir Erholung von der schönen und erlebnisreichen, aber auch anstrengenden Zeit.
Es waren doch über 2.000 km, die wir im letzten Monat zurückgelegt haben. Da waren einige Fahrtage dabei...
Nach harter Überzeugungsarbeit fuhren wir Richtung Dschungel nach Puerto Maldonado. Je mehr Höhenmeter wir abstiegen, desto wärmer wurde es. Unterwegs wurden wir Zeuge eines Motorradsturzes. Ein etwa fünfzehnjähriger Junge, in Flipflops und wie üblich ohne Helm oder Schutzkleidung und vermutlich auch ohne Führerschein, verlor in einer Kurve die Kontrolle über sein Moped und stürzte in den Graben. Er hatte mehr Glück als Verstand. Bis auf ein paar Schürfwunden ist ihm nichts passiert. Er stand nur ziemlich unter Schock. Nach der Erstversorgung fuhren wir ihn nach Hause. Die Eltern waren nicht da, nur der große Bruder, der jedoch mehr am Zustand seines Mopeds interessiert war...
Schließlich, mit etwas Verspätung, erreichten wir unser Ziel mit Pool: Die Villa Hermosa. Hier fühlten wir uns sofort willkommen und blieben am Ende eine ganze Woche. Die schwüle Hitze erstickte jeden Drang nach Bewegung, außer vielleicht ab und zu in den Pool zu hüpfen. Bis auf eine 2h Bootstour um Kaimane zu beobachten und einer 2 h Nachtwanderung haben wir eigentlich rein gar nichts gemacht.
Auf dem Anwesen leben 4 Hunde, 3 Katzen, ein kleiner Affe und zwei Papageien, die sich schon mal beim Frühstück selbst bedienen. Eingezäunt sind sie nicht, sie bleiben freiwillig. Ein Hund, Tapitas, wurde vor kurzem erst aus einem Graben gerettet und adoptiert. Er ist unglaublich frech und putzig. Das Anwesen grenzt an den Dschungel. Kleine wilde Affen besuchen öfters mal die offene Küche. Und auch nachts kann man es in den Bäumen rascheln hören. Mit etwas Glück kann man die Silhouetten nachtaktiver Äffchen gegen den Himmel beobachten.
So vergingen die Tage mit ein wenig Auto putzen und einräumen, Löffel schnitzen und mit den Tieren spielen. Blanca und Manuel und ihre Töchter Francesca und Bianca (2 von Manuels 9 Kindern) sind sehr freundlich. Wir wurden mehrfach zum Essen eingeladen. Micha revanchierte sich mit einer leckeren Pizza (sowas ist selten lecker in Südamerika), die dann aber trotzdem mit Mayo verschandelt wurde.
Mir fiel auf, dass einer der Hunde ein stark entzündetes Auge hatte. Am nächsten Tag waren dann auch noch die Pfoten geschwollen und eiterten aus kleinen offenen Wunden. Sali wurde von einer Fliege gebissen, die Eier unter der Haut ablegt. An diesem Tag holte Manuel etwa 10 große Larven aus Schulter und Pfoten heraus. Sie lassen sich wie ein Pickel ausdrücken, sind ca. 1,5 cm lang und 0,5 cm dick...und ziemlich ekelhaft. Am Auge konnte er sie nicht entfernen, meinte aber, dass sie von selber rauskommen, wenn sie ausgewachsen sind.
Auf mein Drängen hin, fuhren wir zwei Tage später zum Tierarzt, der dann nochmals sechs Larven entfernte und den Hund behandelte. Danach hat sie sich in Rekordzeit erholt.
Manuel erzählte uns viele Geschichten aus dem Wald, der hier immer noch weit und dicht ist. Von einem bösartigen Wesen, ähnlich einem Troll, dass Menschen auf Irrwegen führt, indem er ihnen als etwas Bekanntes erscheint. Vermutlich gibt es solche Wesen (unter anderem Namen) in sämtlichen Kulturen. Er ist fest davon überzeugt, einen gehört zu haben. Als er zwanzig war und ziemlich abgelegen an der Grenze zu Brasilien gelebt hat, wollte er seinen Nachbarn besuchen, der ca. 1 h weit weg gewohnt hat. Auf dem Weg dorthin hörte er seinen Nachbarn rufen und verschiedene Geräusche, ähnlich einer Jagdszene. .
Angekommen beim Nachbar sagte dieser, dass er den ganzen Tag schon daheim war. Jemand anderen gehört zu haben ist aufgrund der Abgelegenheit und fehlender Wege ausgeschlossen
Für die Ureinwohner sind diese Wesen etwas ganz Natürliches. Auch erzählte er eine Geschichte, von einer Familie, die ebenfalls weit abgelegen im Wald gelebt hat. Da beide arbeiten mussten und keine andere Möglichkeit hatten, ließen sie jeden Tag ihr Kleinkind, eingezäunt und versorgt, in der Waldhütte alleine zurück. Der Kleine schrie und schrie, doch irgendwann gewöhnte er sich an die Einsamkeit. Zumindest dachten das die Eltern.
Eines Tages als sie von der Arbeit heim kamen, fanden sie das Kind auf einem hohen Regal wieder, wo es von alleine niemals hoch gekommen wäre. Auf der Terrasse lagen eine große Boa und ein Jaguar ineinander verschlungen. Beide Tiere sind im Kampf gestorben. Das Kind weinte der Schlange hinterher und nannte sie immer wieder Mama. Mehr konnte es in diesem Alter nicht sagen. Die Eltern wussten nicht was passiert war. Ihre einzige Erklärung war, dass die Schlange während ihrer Abwesenheit dem Kind Gesellschaft leistete und sich beide an die Anwesenheit des Anderen gewöhnten. Deshalb schrie das Kind auch nicht mehr. Als nun der Jaguar kam, versuchte die Schlange das Kind zu retten, indem sie es auf das Podest stellte und ihm damit das Leben rettete.
Weit hergeholt, mag man denken. Doch auch bei mir wecken diese Geschichten eine wage Erinnerung, als ob ich sie schon einmal gehört hätte. Eine Boa kann sehr alt werden und soll intelligent sein. Aber empathisch? Wer kann das schon so genau sagen. Wir Menschen neigen dazu, Tiere zu unterschätzen und sprechen ihnen Eigenschaften wie Liebe oder Mitgefühl ab. Alles Instinkt. Doch ich bin überzeugt, dass dies nicht nur menschliche Eigenschaften sind.
Ebenfalls erzählte Manuel von seiner Zeit im Wald, als er in der Nähe eines Dörfchens eine große Mulde im Fluss fand, die von der Strömung nicht zugeschüttet wurde. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass dort eine Boa lebt. Die Schlangen halten die Mulde als ihr Versteck frei von Sedimenten. Der Größe der Mulde zufolge, war das ein sehr großes Tier, was auch eine Gefahr darstellte. Um es zu vertreiben schütteten die Dorfbewohner Glasscherben in die Mulde, an denen sich die Boa verletzten sollte, wenn sie die Mulde sauber wälzt. In diesen Flüssen gibt es Piranhas und andere kleine, fleischfressende Fische. Diese greifen alles an was blutet. Auch eine Boa. Diese verlässt dann ihre Mulde und flüchtet.
Ein anderes Mal, erzählte er uns, hatte er sich im Wald verlaufen. Verzweifelt, hungrig und von Moskitos geplagt, konnte er nur noch an einen Weg nach Hause denken. Schließlich traf er nach drei Tagen wieder auf einen breiteren Pfad, der ihn schließlich wieder auf bekanntes Terrain zurückbrachte. Oder als er an einer Stelle urplötzlich wie angewurzelt stehen blieb und überhaupt nicht wusste warum. Langsam schaute er sich um, um das Bild genauer zu studieren. Drei Meter vor ihm hing ein Ast herunter und an diesem Ast befand sich eine kleine aber sehr giftige Schlange.
Er ist überzeugt an diesem Tag Beistand von oben gehabt zu haben.
Die Herzlichkeit und die entspannte Atmosphäre machten es uns schwer, selbst nach einer Woche zu gehen. Faul aber unglaublich erholt und ausgeglichen sind wir nun wieder bereit für die nächsten Abenteuer.
Blanca und Manuel, wir wünschen euch und eurer Familie (auch der tierischen) nur das Beste!
